Eine Ostseerunde
(12-25) Eine große Reise neigt sich dem Ende zu. Wir haben 7 Länder und eine autonome Zone besucht und rund 1600 Seemeilen auf dem Buckel. Keine 100 Seemeilen liegen noch vor uns. Doch wir haben im Hafen von Vordingborg Schutz gesucht vor dem starken Südwind.
Unsere Planungen Anfang September auf Fehmarn zu sein, sind verweht worden oder haben sich in Flauten aufgelöst. Aber eines haben wir auf unseren Segeltörns gelernt: Anzunehmen was kommt – und das ist nicht immer das Schlechteste, wenn manchmal auch etwas schräg.
Drei Nächte lagen wir im kleinen Schlosshafen von Kalmar. Wer hat abends von seinem Wohnzimmer (unserer Kuchenbude) aus schon so einen Anblick.

Verstörend schräg
Zwei Videos im dortigen Kunstmuseum gaben uns ausreichend Gesprächsstoff. Es ging um einen erfahrenen Mißbrauch der Künstlerin Anna Odell in der Psychiatrie und um das Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern. Letzteres ein Video, das sie mit ihren ca 6 Jahre alten Sohn gedreht hat.

Lieber weiter (unter Segeln) nach Karlskrona und von dort (mit dem Motor) an die Mjölkebrygga auf Arpö. Dort lagen wir zusammen mit ein paar Schweden.
Sie erzählten uns, dass ein Einheimischer die Insel für 600.000 Euro gekauft hätte. Da sie unter Naturschutz stünde, dürfe er aber nur das einzige Haus dort renovieren.

Schräges Hobby
Vor Jahren waren wir einmal in dem alten Holzhaus. Ein Deutscher hatte es seit mehreren Sommern gepachtet, dort Gänseeier ausgebrütet und den Gänsevater Konrad Lorenz gespielt.
Im Haus gab es überall Hinterlassenschaften von seinen Gänsen, aber auch etwas anderes: Wunderbare Wandgemälde in einem Zimmer. Wir schätzten sie so aus den 30er Jahren, für die er überhaupt keinen Blick hatte.
Fanden wir die Gänsenummer noch schräg, waren wir nur noch entsetzt als der Gänsevater sich als Holocaustleugner entpuppte. Aber nun war dieser Typ weg und das Haus schön renoviert. Hoffentlich haben die Wandgemälde alles überstanden.
Wer beobachtet wen?
Während wir schweißgebadet auf den Trampelpfaden von Kühen und Schafen die alte Kulturlandschaft auf Arpö erkundeten, beschränkte sich der Bewegungshorizont der Schweden auf den Steg. Auf Klappstühlen ließen sie sich von der Sonne braten.
Als wir abends an Land Gemüse und Käse grillten, deckten sie einen Tisch gegenüber und setzten bunte Papphüte auf. Gegenseitig schielten wir zueinander rüber und lächelten uns freundlich an.
Die Schweden sangen ab und zu ein kurzes Trinklied, kippten dann einen Schnaps und knabberten Süsswasserkrebse. So lernten wir die alte schwedische Tradition des Krebsfestes „Kräftskiva“ kennen. Jedes Jahr im August feiern sie in fröhlicher Runde damit den Abschied vom Sommer.
Für unser Ablegemanöver nächsten Morgen Richtung Hanö, waren alle Klappstühle auf uns ausgerichtet. Unser Manöver wurde, begleitet von fröhlichem Abschiedswinken, genauestens beobachtet.
Geradeaus nach Simrishamn
Auf Hanö – eine unserer Liebingsinseln -glaubten wir immer noch, unseren Zeitplan einigermaßen einhalten zu können und verließen sie gleich am nächsten Morgen Richtung Simrishamn.
Leider hatte der angesagte Wind uns auch verlassen und kam erst, als wir schon die Hälfte der Strecke motort hatten.

Manch magischer Morgen
Das Licht und die Stimmung, wenn der Nebel sich lichtet, die Sonne durchkommt und der Blick immer weiter schweifen kann, sind unbeschreiblich schön - wenngleich Nebel nicht gerade förderlich ist, in der Frühe aufzubrechen und Strecke zu machen. So langsam gaben wir unseren Zeitplan auf.
Endlich schafften wir dann aber den Sprung vom kleinen schwedischen Hafen Skare (westlich von Trelleborg) nach Rödvig, Dänemark.
Die vohergesagten Windspitzen kamen zum Glück nicht. Wir hatten eine Rauschefahrt mit Halbwind und waren schon am Vormittag im Hafen, bevor der Wind dann doch zulegte.
Wirklich schräg: Rattenart als Vorfahren
Zeit also das Museum von dem UNESCO-Welterbe Stevens Klint zu besuchen. Hier wird sehr anschaulich erklärt, wie Forscher im sogenannten „Fischton“ ihre Theorie bekräftigen konnten, dass die Dinosaurier durch einen riesigen Meteoriteneinschlag vor 66 Millionen Jahren ausgestorben sind.

Der „Fischton“ ist eine dünne Schicht zwischen der Kreide und dem Kalkstein. 60 % aller Lebewesen sind damals ausgestorben, die Katastrophe überlebt hat u. a. eine Art Ratte, von der alle Säugetiere abstammen, also auch wir.

Magische Nächte
Die kleine Insel Nyord nördlich von Mön, ist noch so eine Lieblingsinsel von uns. Wir nähern uns ihr durch ein schmales, relativ flaches Fahrwasser, der Grund bewachsen mit Seegras.
Stare tanzen in Schwärmen in der Luft und am nächsten Morgen ist unser Boot von mindestens 50 Schwalben gekapert.
Wie auf Arpö, sind auch hier die Nächte magisch, da es keine Lichtverschmutzung gibt und der Sternenhimmel nicht schöner sein kann.

Besonders an diesem Ort macht sich eine leichte Melancholie breit, weil unsere Reise nun bald zu Ende ist.
Die Gerüche des Meeres, das besondere Licht, dieses in der Natur mit den Elementen sein, werden uns fehlen. Aber wir freuen uns auch auf zu Hause, auf unsere Freunde und Bekannten.
P.S.
Heute in langen Kreuzschlägen in den Guldborgsund gekommen, wieder ein Stück näher – und wir werden von zwei Schweinswalen begrüßt. Hoffentlich bringt uns der Wind am Wochenende nach Fehmarn.