Nordwärts bis Stavanger und Bergen
Wir schauen den Rahseglern zu, wie sie stolz und gemächlich den Hafen von Sirevag verlassen, um nach Bergen zu fahren. Dort ist das große Tall ship Race Treffen. Dann heisst es auch für uns Leinen los. Wir fahren hinterher, haben sie aber bald aus den Augen verloren. Das Wetter ist grau in grau, aber der Himmel hat sich am Vortag wohl abgeregnet.
Wir wollen erst einmal bis nach Stavanger. Kaum zu glauben, die 33 sm können wir überwiegend unter Segeln zurücklegen. Problemlos passieren wir das berüchtigte Jaerensreff, bekommen aber eine Ahnung, dass hier die See durch den schnell ansteigenden Meeresspiegel, Strömungen und bei ungünstigen Windverhältnissen ‚verrückt‘ spielen kann.

Norwegen, Stavanger, Öl und Gas
Wir machen im Hafen von Tananger fest, nur ein paar Kilometer von Stavanger entfernt und gut mit dem Bus zu ereichen. Morgens um 10:00 Uhr und bei stärker werdendem Nieselregen wirkt die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, vielen Geschäften und Lokalen wie ausgestorben.


Wir verholen uns ins Trockene und besichtigen das Erdölmuseum. Denn Stavanger ist das Zentrum der norwegischen Erdölindustrie und Vermarktung. Die Erdöl- und Gasfunde in der Nordsee, die seit Anfang der 70er Jahre erschlossen werden, haben Norwegen von einem relativ armen zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt gemacht.


Pensionsfonds für die Zukunft
Bemerkenswert ist auch, dass der Staat Mitte der 90er Jahre einen „Pensionsfonds“ eingerichtet hat, in dem die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft angelegt werden. Weit über 100 000 Euro je Einwohner sind bislang angespart worden. Das Geld soll dazu dienen, den Strukturwandel zu meistern, wenn das Geschäft mit Öl und Gas endet.
Jährlich darf der Staat nur 4 % der Dividende (künftig nur 3%) in den Staatshaushalt fließen lassen. Daraus wird zum Beispiel die großzügige öffentliche Infrastruktur finanziert. Wir haben Norwegen auf unserer bisherigen Reise schon öfter um die wirklich einladenden, zentral gelegenen Bibliotheken oder den ausgebauten ÖPNV beneidet.

Nebelnieselregentage
Uns zieht es nach Bergen, dem Ziel unserer Reise und so geht es bei Nieselwetter und diesiger Sicht weiter. Aber wir wussten ja vorher und bekamen es auch immer wieder zu hören, dass es an der Westküste häufig regnet. „Ihr wollt nach Bergen? Vergesst den Regenschirm nicht!“ Wir ankern in einer kleinen, sehr ruhigen Bucht. Schnell die Kuchenbude aufbauen, den Petroleumofen anzünden, etwas Warmes gleich für den nächsten Tag mitkochen und die Welt ist in Ordnung.

Adlertiefflug
Schon früh um kurz nach 7 Uhr machen wir uns ausgeruht auf den Weg. Ganz feiner Nieselregen hüllt die Landschaft, an der wir vorbeisegeln, in einen nebelartigen Dunst. Der Wind kommt auch noch passenderweise von hinten, so dass wir unsere Cockpitscheiben ständig von innen ‚flitschen‘ müssen. Wir können aber erahnen, dass das Fjordsystem hier (Ryfylke), nördlich von Stavanger fantastisch sein muss und wollen uns auf dem Rückweg dafür mehr Zeit lassen.
Als wir gegen 3 Uhr den vorab ausgesuchten Ankerplatz erreichen, hat das Wetter sich gebessert, wir gleiten langsam durch eine fantastische Schärenlandschaft und entscheiden uns, weiter zu segeln. In einer Engstelle stürzen sich plötzlich zwei Seeadler vor unserem Boot unter lautem Gezeter von Seeschwalben aufs Wasser und lassen sich anschließend auf dem Felsen neben unserem Fahrwasser nieder. Wow! Welche majestätische Kraft! So nah haben wir sie noch nie beobachten können.

Anglerpech
Als wir für ein kurzes Stück wieder aufs offene Wasser kommen, versuchen wir unser Anglerglück mit einem einfachen Haken und Blinker. Diese Taktik hatte uns schon Makrelen und einen Pollack (ähnlich Dorsch) beschert. Kurze Zeit später haben wir einen Hornhecht am Haken. Wir sind irritiert. „Wollen wir den?“ fragt mein Skipper unschlüssig, da er als zuständiger Fischzubereiter nicht weiß, wie er den verarbeiten soll.
Ich habe schon einmal Hornhecht gegessen, kann mich an blaue Gräten und davon sehr viele erinnern. Spontan entlassen wir den Fisch in die Freiheit und versuchen unser Glück erneut. Wieder ein Hornhecht! Diesmal wollen wir ihn, aber er springt uns vom Haken. (Am nächsten Tag passiert uns so etwas noch zweimal!!) Okay, dann essen wir eben wieder vegetarisch.
Oh wie schön ist Bakkasund
Plötzlich nimmt der Wind zu und die Sicht wird wieder schlechter. Wir segeln nur mit dem Groß und schießen mit 7 Knoten auf ein Schärenlabyrinth zu, das aber durch den Nieselnebel nur zu erahnen ist. Das Groß muss runter! Ich weigere mich, unter Genua durch diese weiße Masse zu segeln. Der Motor muss an! „Ich will in einen Hafen!“ jammere ich lauthals, obwohl der Wind durch die Schären gebrochen ist. Aber die Sicht ist so schlecht und es ist schon 7 Uhr, 12 Stunden sind wir unterwegs.

Nach 5 Seemeilen gibt es tatsächlich einen kleinen Hafen und es ist ein Platz längsseits am Steg frei. Drei junge Männer gucken uns beim Anlegen zu. Ich springe auf den glitschigen Steg. Der Wind drückt unser Boot schnell weg. Da erwachen sie aus ihrer Erstarrung und helfen.
Ja, es gibt noch Boote ohne “Brrr Brrr“ Bugstrahlruder. Alles ist sacknass. Ich bin erschöpft. Doch der Petroleumofen, das vorgekochte Essen und ein großer Schluck Calvados helfen mir langsam wieder auf die Beine.
Und am nächsten Tag sind wir tatsächlich in Bergen. Doch das ist eine andere Geschichte – und was für eine! Im nächsten Blog.
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