Anke von der Emaloca

Unter Segeln von Fehmarn nach Tallinn

(1-25) Das fängt ja gut an! Die Sonne lacht, der Wind kommt so sanft von hinten, dass wir unseren Gennaker hochziehen können. Wir gleiten freudig dahin, bis ich am Horizont ein Militärboot entdecke. Sollte diese Fregatte etwa ein dunkles Vorzeichen für unsere Reise in die baltischen Staaten sein?

In der Nacht in Nysted, unserem ersten Stopp, verfolgt mich Robert Habeck im Traum und Gerd kriegt bei einer Supervisionssitzung gesagt, er mache alles viel zu schnell und hektisch.

In Klintholm auf Mön muss ich dann auch noch unsere Deutschlandfahne nähen. Sie ist unten am rechten Rand (kein Witz!) völlig ausgefranst und droht sich aufzulösen.


Zum Glück sehe ich bei Bluesky eine alte Snoopy-Karikatur: „Heute geht die Welt nicht unter, denn in Australien ist schon Morgen!“ Dieses Motto soll das Unsrige sein!

Nach einem Tag erholsamer Strandspaziergänge auf Mön (bei 10 Grad aber mit Sonne) werfen wir morgens um halb 7 die Leinen los und wollen nach Ystad, Schweden – eigentlich.


Denn kaum aus dem Hafen überlegt mein Skipper, ob wir nicht nach Rügen segeln sollten, auf der Route wären die Winde für uns günstiger. Vor Ystad waren 26 Knoten (Windstärke obere 6) von hinten angesagt. Machbar, aber wenn es anders geht… also Kurs Rügen.

Unterwegs begleiten uns eine halbe Stunde lang 2 Schweinswale. Sie schwimmen knapp unter Wasser ganz dicht am Boot, legen dann und wann den Turbo ein, zeigen uns ihre hellgrauen Bäuche und schießen unter dem Boot durch.

Mal sind sie an Backbord, dann wieder Steuerbord, mal zusammen, mal getrennt. Und zwischendrin tauchen sie kurz auf, um mit einem kräftigen Pfff ihren Blas herauszulassen. Wir versuchen erst gar nicht, die kleinen Gesellen (so ca 120 cm) zu fotografieren, zu wuschig sind sie.


Wir bestaunen ihre Schwimmkünste und strahlen um die Wette, verdrängen eine Weile, dass diese Tiere vom Aussterben bedroht sind (Klimawandel, Verlärmung, Schleppnetze...)

Auf Rügen, im Hafen Glowe, mussten wir zwei Tage abwettern. Wieder stellte sich die Frage: wie weiter? Nach Bornholm und dann nach Schweden, bis nach Öland oder Gotland und dann rüber nach Lettland oder im Zickzack über die Ostsee von Bornholm nach Polen und dann weiter nach Litauen? Ach, was haben wir für Luxusprobleme! Erst einmal die Beine vertreten.

Nachdem wir im Ort fast nur AFD-Plakate für die Landratswahl sehen, im Wald dann ein Schild auf dem folgendes zu lesen ist: „Es geht den Bäumen wie den Menschen. Erst die Mischung macht den Wald bunt und interessant! …. Viel Spaß beim Wandern, Beobachten und Selbsterkenntnis – wünscht dir das Revier Gelm, Forstamt Rügen.“ Ha, der Widerstand lebt!

Starkwindwarnung für die polnische Küste und ungünstige Winde für Bornholm bringen uns auf die Idee, den Peenestrom zwischen der Insel Usedom und dem Festland zu nutzen und so bis Svinemünde zu segeln.

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Zwischenstopp im Nordhafen Peene, der in unserem sehr alten Hafenhandbuch nur ein kahles Rechteck ist.



Hier hat ein Investor inzwischen richtig zugeschlagen, edle Hausboote, wo man mit seiner Yacht direkt daneben anlegen kann, Ferienhäuser usw. Aber auch eine Art Hallenrestaurant, wo wir uns einen dicken Burger mit Pommes und einen halben Liter Störtebecker Bier reinziehen. Eine Vorspeise hatten wir schon an Bord vertilgt. Den ganzen Tag im kalten Wind, da fallen alle Hemmungen!

Und jetzt liegen wir in dem kleinen Naturhafen „Karnin“, knapp 50 Km von Svinemünde entfernt im Stettiner Haff. Es regnet ab und an und es ist saukalt. Nach einem kurzen Spaziergang landen wir im „Faulen Paul“, eine Mischung aus Zelt und Bude.


Neben den beiden Wirten sind noch 4 weitere Menschen dort. Wir werden sofort ins Gespräch einbezogen, lehnen aber höflich den Sanddornlikör ab, es ist gerade mal 10 Uhr.

Als wir erzählen, dass wir im Nordhafen Peene waren, erzählt uns ein älterer Herr, dass er diesen in den 60er Jahren ausgebaggert habe. Als es plötzlich merkwürdig nach Alkohol roch, hätten sie den Schlick durchwühlt und wären auf eine Kiste Asbach Uralt gestoßen.


Die meisten Flaschen intakt, noch versiegelt und trinkbar. „Muss wohl durch den Krieg dorthin gekommen sein,“ meint er lapidar, um dann noch viel mehr von seiner Arbeit als Maschinist auf einem Bagger zu berichten.

Mein Handy klingelt, Cousin Ernst ruft an, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Ich gehe hinaus, aber der Pächter dieses Gesamtkunstwerkes bekommt das Gespräch mit. Da gibt es kein Vorbeikommen mehr am Sanddornlikör und Happy Birthday wird auch noch angestimmt.


P.S.

Abends werde ich von meinem Skipper bekocht. Wir haben alles aufgegessen und morgen soll das Wetter auch besser werden!

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von Anke von der Emaloca 5. Juni 2025
(3 + 4 - 25) „Gerd, guck mal. Ist das da eine Plattform oder ein Boot? Fährt das Ding?“ Wir gucken abwechselnd durch das Fernglas. „Das ist ein U-Boot!“ Einige Zeit später: „Es kommt auf uns zu und wird unseren Kurs kreuzen!“ Wir sind leicht angespannt.
von Anke von der Emaloca 28. Mai 2025
(2-25) ‚Dadumm, dadumm‘! Irritiert schauen wir uns an. „Hier ist kein Schießgebiet! Hier ist kein Schießgebiet!“ wiederholt Gerd leicht irritiert. „Das Boot hat vibriert!“ springe ich auf und sehe in unserem Kielwasser ein dickes, dunkles Holzbrett mit rotem Rand in den Wellen tanzen. „Container werden hier ja wohl nicht herumschwimmen …“
von Anke von der Emaloca 22. April 2025
Den nachfolgenden Text habe ich 2018 geschrieben – und ich finde ihn nach wie vor aktuell. Das deutsche historische Museum Berlin hatte zu einer Blogparade aufgerufen: „Europa und das Meer.“ Das Thema ist meinem Skipper und mir eine Herzensangelegenheit. Wir sind im Sommer immer drei bis vier Monaten mit dem Segelboot auf der Ostsee unterwegs. Der Text erzählt, wie wir uns als Europäer mit dem Meer verbunden fühlen, was wir vom Meer lernen und was wir verlieren können, wenn Europa nicht zusammenhält und seine Werte verrät.