Anke von der Emaloca

Entlang der polnischen Ostseeküste

(2-25) ‚Dadumm, dadumm‘! Irritiert schauen wir uns an. „Hier ist kein Schießgebiet! Hier ist kein Schießgebiet!“ wiederholt Gerd leicht irritiert. „Das Boot hat vibriert!“ springe ich auf und sehe in unserem Kielwasser ein dickes, dunkles Holzbrett mit rotem Rand in den Wellen tanzen. „Container werden hier ja wohl nicht herumschwimmen …“

Schießgebiete gibt es einige entlang der polnischen Küste und man sollte sich genau erkundigen, wann diese in Betrieb sind. Dann muss man einen Umweg segeln und kann sie nicht direkt queren. Anderenfalls gibt es richtig viel Ärger und ggf. auch eine Geldstrafe.

Wir haben Swinoujscie (Swinemünde) und damit auch den Peenestrom verlassen. Die Ostsee hat uns wieder. Bei Sonne – wir können es kaum glauben – und mit achterlichen Winden, die uns hin- und herschaukeln, geht es über den kleinen Hafen Dzwinow nach Kolobrzeg (Kolberg).

Wintereinbruch im Mai?


Morgens kurz vor 6 Uhr krabbele ich aus der Koje. „Was machst du?“ murmelt mein Skipper. „Handy und Brille holen, Seewetterbericht checken!“ „Komm zurück in die Koje, habe ich schon um 5 gemacht. Ich erzähl dir alles!“ Das lass ich mir nicht zweimal sagen, denn es sind nur knapp 11 Grad im Schiff.

„Wind wäre okay, aber die Temperaturen …. Wir sind doch nicht zum Wintersegeln aufgebrochen! Wir bleiben hier, okay?“ Ich vergrabe mich sofort wieder in Decke und Wolldecke um weiter zu schnorcheln.

Swinoujscie und Kolobrzeg sind beide im Krieg stark zerstört worden. Aber es erscheint uns, als ob Swinoujscie ohne erkennbaren Plan wieder aufgebaut wurde und kein richtiges Zentrum hat. Anders in Kolobrzeg. 3 Nächte bleiben wir, warten auf angenehmere Temperaturen und bekommen den Saisonstart im Hafen mit.

Unterkühlter Saisonstart mit den Kolobrzeg-Tagen


Gut eingepackt lauschen wir an einem Abend dem hervorragenden Chor der technischen Marineschule Stettin.

Am nächsten Mittag ist der Chantychor aus Bad Oldesloe, der Partnerstadt von Kolobrzeg, an der Hafenmole zu hören. Bevor sie loslegen, werden von den Honoratioren der Partnerstädte noch ein paar Pressefotos gemacht. Kindergartenkinder schwenken Fahnen. Als die Chantys erklingen, sind Fahnen und Honoratioren allerdings ziemlich schnell verschwunden.

Der Chanty-Chor hingegen schmettert begeistert alte Seemannslieder, den eigenen Fanclub (wohl in Form der Ehefrauen) haben sie mitgebracht. Sie müssen mit lauter Diskomusik konkurrieren. Das italienische Widerstandslied ‚Bella Ciao‘ - als Popversion verunglimpft - findet offensichtlich mehr Fans.

Abends heisst es Bühne frei für eine polnische Rockröhre. Der Platz ist voll. Sängerin und Band sind gut, die Bühnenshow ist perfekt … aber eine richtige Stimmung will nicht aufkommen. Zu kalt? Die Musik zu glatt? Die Polen nicht begeisterungsfähig? Wir wissen es nicht und schlendern zurück zu Emaloca.

Heißer Ritt nach Ustka (Stolpemünde)


Mit teilweisen Böen von 26 m/sec (Windstärke obere 6) holen wir unsere Bummelei wieder auf. Wir müssen die Genua zweifach und das Groß reffen! Nach knapp 10 Stunden und 54 Seemeilen finden wir gerade noch einen Platz im Fischereihafen von Ustka. Der nächste Segeltag ist viel entspannter, wenig Welle, aber genügend Wind für unseren Gennaker.

Abrupter Stopp in Leba


Als wir in unseren polnischen Lieblingshafen Leba einfahren, werden wir mitten im Hafenbecken gestoppt. Wir sind doch tatsächlich aufgelaufen! Wie kann das sein? Unser Boot hat gerade mal 1,40 Meter Tiefgang! Zum Glück können wir uns mit eigener Motorkraft wieder aus dem Schlick befreien.

Jetzt haben wir maximal 20 cm unter dem Kiel und wollen bitte kein Niedrigwasser, denn dann liegen wir fest. Der Hafen ist total versandet, aber in 10 Tagen soll ein Bagger kommen. Auch sonst wirkt der Hafen nicht mehr richtig in Schuss. Richtig schade.

Der Slowinski Nationalpark, immer wieder beeindruckend


Wir hatten die Dünen schon von See aus gesehen und bestaunt. Man darf aber nicht nah entlang der Küste segeln, denn dort liegt ein großes Schutzgebiet, das nur in einem festgesetzten Korridor durchfahren werden darf. Nun also mit dem Fahrrad in die Sandwüste.

Wie geht es weiter?


Wir wollen nach Klaipeda, Litauen und werden mindestens 24 Stunden auf See sein. Denn wir müssen an der russischen Enklave Kaliningrad vorbei. Aber die Wetter- und Windprognose lassen uns noch zögern. Vielleicht doch noch erst nach Danzig? Erholt haben wir uns schon hervorragend, ein wenig aufregende Kultur täte uns schon gefallen.

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von Anke von der Emaloca 5. Juni 2025
(3 + 4 - 25) „Gerd, guck mal. Ist das da eine Plattform oder ein Boot? Fährt das Ding?“ Wir gucken abwechselnd durch das Fernglas. „Das ist ein U-Boot!“ Einige Zeit später: „Es kommt auf uns zu und wird unseren Kurs kreuzen!“ Wir sind leicht angespannt.
von Anke von der Emaloca 18. Mai 2025
(1-25) Das fängt ja gut an! Die Sonne lacht, der Wind kommt so sanft von hinten, dass wir unseren Gennaker hochziehen können. Wir gleiten freudig dahin, bis ich am Horizont ein Militärboot entdecke. Sollte diese Fregatte etwa ein dunkles Vorzeichen für unsere Reise in die baltischen Staaten sein?
von Anke von der Emaloca 22. April 2025
Den nachfolgenden Text habe ich 2018 geschrieben – und ich finde ihn nach wie vor aktuell. Das deutsche historische Museum Berlin hatte zu einer Blogparade aufgerufen: „Europa und das Meer.“ Das Thema ist meinem Skipper und mir eine Herzensangelegenheit. Wir sind im Sommer immer drei bis vier Monaten mit dem Segelboot auf der Ostsee unterwegs. Der Text erzählt, wie wir uns als Europäer mit dem Meer verbunden fühlen, was wir vom Meer lernen und was wir verlieren können, wenn Europa nicht zusammenhält und seine Werte verrät.