Anke von der Emaloca

Alles hat ein Ende – nur der Göta-Kanal hat zwei

Nun haben wir ihn hinter uns. Aber nachdem der Göta-Kanal uns so viel über Entschleunigung gelehrt hat, durfte die letzte Schleuse ruhig noch einen weiteren Tag auf uns warten. Wir lagen in Mem, noch drei Höhenmeter trennten und von der Ostsee. Es ist Zeit Bilanz zu ziehen.

Entspannt abwärts


Beim Abwärtsschleusen wirken nicht solche Wasserkräfte wie beim Aufwärtsschleusen. Man hat das Gefühl, wie mit einem Fahrstuhl nach unten zu sinken und ist entspannter. Dennoch bleibt unser Eindruck: ohne irgendeine Schramme kommt kein Boot aus dem Göta-Kanal.

Auch für die „Abwärtsfahrt“ haben wir uns Zeit gelassen. Wenn uns ein Hafen besonders gefiel, sind wir geblieben, haben einfach nur geguckt, gelesen oder wieder unsere Fahrräder ausgepackt.



Mit ihnen haben wir immer mehr Meilen geschafft als zu Wasser. Von Malfors bis nach Linköping waren es z.B. hin und zurück 30 Kilometer. Die lebendige Unistadt ist perfekt auf Fahrradfahrer ausgerichtet.

Berg runter


Wohl die größte Attraktion am Göta-Kanal ist Berg. Wie der Name schon andeutet, geht es hier ein großes Stück bergab - oder bergauf. Viele Leute stehen am Rand der Schleuse (manchmal auch im Weg) und machen Fotos oder Videos vom Schleusenvorgang.

Ungefähr 20 Höhenmeter sind mit zahlreichen aufeinanderfolgenden Schleusen zu bewältigen. Am Schluss kommt die Carl Johann Schleusentreppe mit 7 Kammern. Da wir allein geschleust wurden, gab es so eine knappe Stunde Gelegenheit mit dem jungen Schleusenwärter zu plaudern, der uns an Land abwärts begleitete.


Höher, größer, schneller – schöner?


Sein Fazit am Ende: „Die Boote werden jedes Jahr größer!“ Das ist auch unser Eindruck – nicht nur im Göta-Kanal. Aber hier wirken sie besonders deplaziert. Sie passen nicht zu den kleinen Häfen, zur Langsamkeit und Ruhe, die der Kanal ausstrahlt. Ich empfinde sie als optische Umweltverschmutzung.

Wenn Motorboote auch noch ihre Aufbereitungsanlagen und Kühlaggregate laufen lassen oder ihre Wummerboxen aufdrehen, kommt noch eine akustische Umweltverschmutzung dazu.


Nicht vorurteilsfrei


Am auffälligsten sind die großen Motorboote, so hoch wie kleine Häuser. Wir fragen uns immer, was die Leute, wenn sie von hoch oben auf uns kleine Segelboote hinunterschauen, wohl denken oder empfinden.


Sind wir ihre Wohlfühlkulisse, die man gern – natürlich aus einiger Distanz - betrachtet? So wie früher in den Landschaftsparks der Adel sich an Hirten und Mägden erfreut hat, die dort als Staffage herumlaufen mussten. Gucken sie mitleidig auf uns, weil wir es nicht gebracht haben, so viel ‚Kohle‘ zu machen und uns was Besseres zu leisten? Nehmen sie uns vielleicht gar nicht wahr?


Ich werde es wohl nie erfahren, da unser gegenseitiges Interesse gleich null ist. Wahrscheinlich habe ich Vorurteile. Aber warum werden diese bloß immer wieder bestätigt?!!

Fazit


Nach einem etwas holprigen Start in Sjötrop haben wir die Fahrt durch den Göta-Kanal genossen. 58 Schleusen hätten es nicht sein müssen (mit dem Trollhätte-Kanal sogar 64 Schleusen), aber schnell stellte sich Routine ein. Wir haben längst nicht alles angeguckt, was man so unbedingt angucken sollte, dafür aber die Langsamkeit wiederentdeckt.

Die allermeisten Menschen auf den Booten wirken gelassen und entspannt. Fahrradfahrer, Spaziergänger, Passagiere der Fahrgastschiffe und die „Schleusenzuschauer“ winken einem zu, alles in allem eine gelöste, friedliche Atmosphäre.

Es war schön mitten durch Schweden zu fahren. Die Landschaft war mal eben, mal hügelig, der Kanal unterbrochen von Seen mit kleinen Inselchen und Schären. Es ging durch landwirtschaftlich geprägte Regionen oder auch Waldstücke.

Es gab in den Felsen geschlagene Kanalstücke zu bestaunen oder dramatisch enge Passagen zu meistern, auf denen keine Begegnung mit anderen Booten möglich ist.

Manchmal gibt es sogar Tonnen

...

Würden wir es wieder tun? Das können wir nicht unbedingt sagen. Für uns und in diesem Jahr war es die richtige Entscheidung, den Kanal zu befahren und uns nicht nach Norwegen durchzukämpfen. Jetzt genießen wir wieder die schwedische Ostküste mit ihrer fantastischen Schärenwelt.


P.S.:  Die Kaninchen bleiben aber im Göta-Kanal!

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