Anke von der Emaloca

Es wird sich schon noch zurecht ruckeln

Da denkt man auf Fehmarn noch daran, die Badesaison zu eröffnen und wenigstens einmal kurz in die Ostsee einzutauchen – und ein paar Tage später kramt man die lange Wollunterhose hervor, so kalt ist es wieder geworden. Von den schrägen Windverhältnissen ganz zu schweigen!


Obwohl nur ein geringer Wind aus ONO weht, entscheiden wir uns nach 4 Tagen unseren Heimathafen Orth auf Fehmarn zu verlassen. Wir wussten, dass wir ab und an unseren Motor brauchen würden - aber gleich über die Hälfte der Strecke bis nach Warnemünde?!


Hier in Warnemünde hat sich der Wind entschieden, nun doch ordentlich zu wehen – und zwar gleich so stark, dass an ein Weiterkommen nicht zu denken ist, denn wer will schon bei Windstärke in Böen 7 bis 8 und Wellen so um die 2 Meter freiwillig hinaus aufs Meer?

... so dichtete schon Heine, er kannte den Wetterbericht.

Drei Nächte hängen wir im Yachthafen Hohe Düne fest, dann fällt die Entscheidung: morgen machen wir uns auf nach Rügen, wahrscheinlich nun ganz unter Motor, denn der Wind hat sich bis dahin völlig verausgabt und macht eine Pause.


Sind wir nicht dieses Jahr extra 2 Wochen früher los, da wir doch in den bottnischen Meerbusen und zur Höga Kusten wollen? Das Wetter zeigt uns deutlich: Pläne machen ist ja schön und gut, aber ich bestimme, ob, wann und wie ihr sie umsetzen könnt.

Wir haben also bislang nichts Besseres vor, als unsere Zeit mit vollen Händen auszugeben.


Segeln auf zwei Rädern


Das geht z.B. mit einer Tour auf unseren Klapprädern entlang der Westküste von Fehmarn. 30 Kilometer werden unterbrochen: 1. von Picknick und Mittagsschlaf auf dem Deich und darüber philosophieren, ob wir die Schafe oder die Schafe uns beobachten; 2. an einem wunderschönen Strandabschnitt vom Durchstöbern einer schon in die Tage gekommenen, auf einem Altpapierstapel gefundenen, Hamburger Regionalzeitung; 3. von einer würdigen Teepause in den Dünen.

Ebenfalls rund 30 Kilometer mit dem Fahrrad ging es von Warnemünde nach Rostock und zurück. Über den Fahrradweg entlang einer vierspurigen, stark befahrenen Straße mit zahlreichen Zu- und Abfahrten, die unter Lebensgefahr überwunden werden wollten, decken wir lieber den Mantel des Schweigens.


Rostock ist zu groß, um in ein paar Stunden einen Eindruck von der Stadt zu bekommen. Man erkennt aber an der prächtigen Backsteingotik deutlich, dass sie zur Zeiten der Hanse einmal sehr reich gewesen sein muss.

Lachen oder weinen?


Sehenswert die Ausstellung „Innere Angelegenheiten“ - DDR Fotografien (1975-1989) von Dietmar Riemann in der Rostocker Kunsthalle. Wir kichern laut los über die Fotoreihe „Schaufenster“. Ein Plakat wirbt für frische Vitamine, in der Ecke des gähnend leeren Schaufensters stehen verloren 3 kleine Konservendosen. Auf einem anderen Bild wird die große Backvielfalt angepriesen, im Schaufenster liegen 2 alte Brote. Eine Gaststätte wirbt mit dem Aufsteller ‚Heute im Angebot: Kein Mittagstisch!‘


Die Museumsaufsicht fragt uns irritiert: „Warum lachen Sie, so war das wirklich bei uns!“

Der Künstler hatte übrigens einen Ausreiseantrag gestellt, der nach dreijähriger Bearbeitungszeit bewilligt wurde. Ironie der Geschichte: drei Monate danach fiel die Mauer….

Hunger!


Windzerzaust, ausgekühlt und hungrig fallen wir in Warnemünde über die erstbeste Fischbude her, ordern Backfischbrötchen und Störtebecker Bier. Wir fühlen uns lebendig wie selten, als wir alles im Windschatten der Fischbude verschmausen.

Musikalische Untermalung mit bemerkenswerten Schlagern gibt es auch, ich bin von der Prosa fasziniert: „Dein Wunsch flog mir entgegen, er machte mich verlegen!“ Oder: „Midnightlady meinst du nicht, dass ein Wort das Schweigen bricht?“ Wie viele Störtebecker muss man wohl trinken, um solche Reime zustande zu bekommen?


Sponsoring


An dieser Stelle sei unseren zahlreichen Sponsorinnen gedankt. Sie haben uns mit selbstgemachten Marmeladen, syrischen Dattelkeksen, Hausmacherwurst, Sauerkraut, Studenten- und Lesefutter und nicht zuletzt mit einem riesigen Badetuch gesponsert.

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