Farö, weit mehr als Raukars
Lauterhorn heisst der für uns ziemlich unschwedisch klingende Name des Hafens, den wir auf Farö anlaufen. Farö ist eine kleine Insel an der Nordspitze Gotlands. Ein enger Sund trennt die beiden Inseln, die aber durch einen ständigen, kostenlosen Fährverkehr verbunden sind.

Was hat der Hafen von Lauterhorn zu bieten? Strom und Wasser am Steg, eine Dusche, ein Trockenklo und eine Bibliothek (!!!) mit Sofa und nicht nur schwedischer Literatur auf ungefähr 6 qm.
Der Hafen bildet einen guten Ausgangspunkt für berühmte „Raukarhotspots“, gut per Fahrrad zu erreichen. Dann noch ein wenig über die Insel radeln und das sollte es dann für Farö gewesen sein – dachten wir.

Farö, nicht Osterinseln
Die Raukars auf Farö sind wirklich eine Reise wert. Wir fotografieren wie die Weltmeister und finden dabei auch noch einen geeigneten Platz für den Gewitterstein.
Dorit Croissier hat im Rahmen eines Kunstprojektes mehrere hundert dieser Steine, die Glück bringen und Schutz bieten sollen, in einem speziellen Verfahren gebrannt. Freunde und Bekannte verteilen nun die Gewittersteine in aller Welt. Wir haben inzwischen einen auf einer finnischen Turkuschäre, am Fuße des norwegischen Folgefonnagletschers und nun hier zwischen die Raukars von Farö plaziert.

Massage mit Sonnenyoga
Mitten auf der Insel treffen wir Hans, der von Lickershamn ebenfalls nach Lauterhorn gesegelt ist. Wir radeln gemeinsam weiter. Ein Schild mit Strand, Restaurant- und Campingsymbol erweckt unsere Neugier und lockt uns nach Sudersandvikken und in eine völlig andere Welt hinein. Keine Raukars und Steinstrände mehr, dafür eine große Bucht mit Sandstrand und entsprechendem Strandleben.

Man kann hier eine Massage buchen, die Massagebank steht für alle Strandurlauber einsehbar direkt am Weg, was offensichtlich niemanden stört. Ein Schild wirbt für Sonnenyoga am Strand, eine sehr originell dekorierte Bar wird von einem Altfreak und einer sehr braunen Lady betrieben. Wir stehen staunend und ein Eis essend dar. Mit den Worten „Muss man mal gesehen haben!“ schwingen wir uns schnell wieder auf das Rad.
Nach Italien gebeamt
Doch schon nach kurzer Zeit bleibt unser Blick an einem Gebäude hängen: Eine ehemalige Tankstelle, heute Pension und Creperie Tati. Auf der Wiese daneben stehen etliche alte, total verrostete Amischlitten. War auf Farö nicht irgendetwas mit Elvis Presley? Hans hat mal davon was gelesen und ich erinnere mich dunkel an einen skurrilen Mare-Beitrag im Fernsehen. Als wir den Garten des Cafes betreten finden wir von Elvis nicht die geringste Spur. Dafür wähnen wir uns irgendwo an einer italienischen Küste – dieser Blick … Und dann erst die ‚Hembaged‘ Kuchen, wahre Konditoreikunstwerke!
Wir wollen schon weiterradeln, als Hans einen Altfreak anspricht, ob Elvis Presley hier irgendwo mal aufgetreten sei. Ja klar, aber im Gebäude nebenan. Wir können gerne mal gucken gehen. Er sei übrigens der Drummer. Noch in den 90ern sei hier alles illegal gewesen, die Bar und die Bühne. Aber sie hätten es trotzdem gemacht und alle hätten es gewusst.
The King of rock’n roll was here
Jetzt sehen wir auch schon den Namen Elvis als Leuchtreklame am anderen Haus prangen. Nichts ist mehr illegal, sondern ein offizielles Restaurant, das anscheinend gut läuft. Der Sitzbereich davor ist mit alten Ölfässern eingefasst auf die wiederum Stoßdämpfer drapiert sind. Die Gerichte der Speisekarte heißen z.B. Elvis de luxe, Miss Taylor oder Paris/Texas.
Und dann zeigt uns der Drummer den Eingang zu den heiligen Hallen, dort wo Elvis Presley aufgetreten ist. Ehrfurchtsvoll und neugierig treten wir ein. Der Drummer lässt für uns die Discokugel glitzern und aus den Boxen die Elvisschlager erschallen.
Fasziniert drehen wir uns mit offenem Mund im Kreis, was für eine Dekohöhle! Elvis steht sofort erkennbar in lebensgroßem Pappmaché auf der Bühne. Immer wieder entdecken wir etwas Neues. Wo keine Deko ist, stehen Sprüche an den Wänden: „People of all times need outlaws“ oder „I know I’m older. It doesn’t mean I’m colder!“ oder „Roll over Beethoven, tell Tjaikowsky the news!“ Alles ist einfach nur herrlich abgedreht.
Farö als Filmkulisse für Ingmar Bergmann
Mund zu und weiter geht’s, denn der Regisseur Ingmar Bergmann hat ab Mitte der 60er Jahre auf Farö gelebt und viele seiner Filme hier gedreht. Wir stellen fest, dass das ihm gewidmete Museum auf unserem Weg zum Hafen liegt. Auf den Ausschnitten, die aus seinen Filmen gezeigt werden, erkennen wir die Steinstrände und Raukars wieder, die wir erst vor ein paar Stunden bestaunt haben.

Bergmann war bei den Faröern sehr beliebt. Er gab den Leuten Arbeit und brachte ein Stück der großen weiten Welt auf diese damals noch sehr abgeschiedene, arme Insel. In einer Broschüre kommen Inselbewohner zu Wort, die schildern, wie sie als Statisten oder beim Kulissenbau für die Filme mitgewirkt hätten.
Bergmann sei immer freundlich und zuvorkommend, nie arrogant gewesen. Nur wenn sie als Statisten beim Filmen immer in die Kamera geguckt hätten, habe er rumgebrüllt. Stolz erzählen sie, dass sie Touristen, die nach dem Haus von Ingmar Bergmann gefragt hätten, immer in die falsche Richtung geschickt hätten um ihn zu schützen.
Die Filmcrews übernachteten übrigens immer in Sudersandvikken, wo zu der Zeit garantiert noch kein Sonnenyoga angeboten wurde.
Zurück im Hafen sitzen wir randvoll mit total unterschiedlichen Eindrücken im Cockpit und sind uns einig: Das Programm hätte mindestens für 2 Tage gereicht. Morgen brauchen wir dringend eine Pause und eine Waschmaschine.
Wir wollten in den Hafen von Valleviken auf Gotland, aber da kommt uns ein alter Kalksteinbruch dazwischen…
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