Hochsommer im Mai an der schwedischen Ostküste
Auf unserer Strecke von Møn zur kleinen Insel Hanö sind wir ver(w)irrten Holländern begegnet, haben Nachtigallenwettbewerben gelauscht, Rasmus für guten Segelwind mit Rum bestochen, sind in einem verwunschenen Trollwald gewandert und haben die Badesaison eröffnet.
Das andauernde schöne Wetter mit dem Hoch über Mittelschweden - hier gibt ein Hoch dem anderen die Hand – hat einen Nachteil: es fehlt der Wind und wenn ein Wind weht, kommt er direkt von dort, wo wir hinwollen. Die Brise ist dann allerdings auch so schwach, dass wir nicht kreuzen können, Emaloca ist eben kein Leichtgewicht. So müssen wir von Møn nach Ystad wieder motoren.

Ystad ist eine gemütliche, alte Hansestadt, die sich in der Innenstadt noch ihren mittelalterlichen Charakter erhalten hat. Sehenswert ist auch die Anlage eines alten Franziskanerkloster. Aber wir sind noch nicht reif für eine Stadt und landen nach einem kleinen Rundgang wieder im Hafen. Das Hafenkino fasziniert uns auch nicht mehr, nachdem wir 3 großen Yachten in der Preisklasse von um die 500.000 EUR zugesehen haben, wie sie trotz Hightech gnadenlos die Bootsstege rammten.
Wir entscheiden uns für den kleinen Ort Skillinge als nächstes Ziel, teilweise können wir sogar segeln. Dort sind wir neben einem holländischen Boot die einzigen Gastlieger. Mit unseren Fahrrädern erkunden wir die Umgebung. An einem langen weißen Sandstrand mit türkisfarbenem Wasser gibt es für mich kein Halten mehr, die Badesaison wird eröffnet. Die Wassertemperatur dürfte bei 16 Grad liegen, aber das Ambiente lässt an Mittelmeer denken.

Desorientierte Holländer
Abends läuft in den kleinen Hafen eine moderne holländische Motoryacht ein. Die Frau, mit Headset bestückt um besser mit ihrem Ehemann im verglasten Steuerstand kommunizieren zu können, fragt nach dem Hafenmeister, da sie tanken wollen.
Wir erklären, dass es noch keinen Hafenmeister gibt und dass sie zum Tanken nur ein paar Seemeilen weiter nach Simmrishamn fahren müssen.
„Aber wir sind doch hier in Simrishamn!“ „Nein, das hier ist das Dorf Skillinge! Simmrishamn ist doch eine Stadt, nur rund 6 Seemeilen von hier.“ „Wir dachten, wir sind hier in Simrishamn!“ wiederholt die Frau mehrfach ungläubig. Auch wir sind mehr als ungläubig und schütteln noch Stunden später verwundert unsere Köpfe. Wie kann es sein, dass ein Motorboot mit modernster Technik orientierungslos durch die Gegend fährt?!

Friedliches Hanö
Am übernächsten Tag geht es weiter zur knapp 40 Seemeilen entfernten kleinen Insel Hanö an der Südküste Schwedens nahe Karlskrona . Wir wissen, dass wir dafür wieder einmal unter Maschine fahren müssen. Der Wind sollte aber gegen Mittag drehen und dann würden wir die meiste Zeit segeln können – so der Plan. Das Motoren stimmte, der Wind drehte auch, blies aber so schwach, dass wir uns unter Segeln kaum fortbewegten.

Was war faul? Uns fiel ein, wir hatten vergessen Rasmus um den richtigen Wind zu bitten. „Sollen wir?“ „Ja, hol die Rumflasche!“ Gesagt getan. Ein Schluck in die Ostsee für ihn als Entschuldigung, ein Schluck für die Bitte um guten Wind. Ob ihr es glaubt oder nicht, es klappte. Eine wunderschöne Rauschefahrt am Wind. Irgendwann war das erste Reff in der Genua angesagt.
Anscheinend hatte der 2. Schluck Rum Rasmus übermütig gemacht, kurze Zeit später war das 2. Reff fällig. Trotzdem fuhren wir noch über 7 Knoten. „Rasmus, jetzt ist aber genug! Der Hafen ist nicht mehr weit und du willst doch nicht, dass wir auch noch das Groß reffen müssen.“ Rasmus hätte gewollt, aber Hanö nahm uns in ihren Windschatten. Spiegelglattes Wasser vor dem Hafen und ein wunderschöner Platz an der Mole für uns.

In der Dusche des Hafens hängt das Schild: „Don't count the days, let the days count!“ Woanders mag der Spruch abgedroschen klingen, aber für die bezaubernde kleine Insel stimmt er. Wir waren schon einmal vor ein paar Jahren hier und die Insel hat nichts von ihrem Zauber verloren. Nur eine Ansammlung von ein paar schmucken Häusern am Hafen, der ein paar Mal am Tag von einer kleinen Fähre angelaufen wird. Und wenn ein Fahrgast sich leicht verspätet, dann stoppt die Fähre eben noch einmal auf und lässt den Menschen aufspringen.

Es gibt hier keine Autos, aber noch Fischer, bei denen wir einen fangfrischen Dorsch erstehen konnten. Es gibt verwunschene Trollwälder; Weissdorngebüsche, in denen die Nachtigallen um die Wette schmettern, pfeifen, flöten und trillern; Felsengebilde auf einer Lichtung und eine steppenartige Ebene, auf der das Dammwild friedlich daherspaziert.
Jetzt, Ende Mai, ist im Hafen alles liebevoll hergerichtet, die Blumenkästen sind bepflanzt, die Autoreifenfender frisch geweisselt, die Boote können kommen. Zwei Tage genießen wir die friedliche Stimmung, dann zieht es uns langsam in die Schärenwelt von Blekinge.

P.S
Auf Hanö gibt es keinen Hafenmeisterautomaten, sondern noch eine freundliche Hafenmeisterin, die alles im Blick hat.

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