Anke von der Emaloca

Skagen in Sicht - wie geht es weiter?

„Wir Segler sind doch verrückt!!“ kommentiert ein Schweizer im Hafen von Bönnerup die bescheidene Wetterlage. „Und das Verrückteste ist, dass wir bis zum nächsten Jahr alles vergessen haben und wieder einen Törn machen!“ Pause, dann: „Aber die nicht segeln, sind auch verrückt, nur eben anders!“

Tag 1 Bönnerup: Wenn es im Hafen jault, heult und klackert, dann weißt du: es weht ordentlich. Wenn dazu noch Regen aufs Boot prasselt, dann überlegst du, doch lieber im Hafen zu bleiben. Wir brauchen für diese Entscheidung eine Stunde. Von morgens um 5 bis um 6 Uhr checken wir noch diverse Windvorhersagen, ehe wir uns in der Koje noch einmal umdrehen.

Aber nach dem Motto „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ erstehen wir am Nachmittag im hervorragenden Fischladen von Bönnerup Jomfruhummer (sie ähneln Langustinos, sehr edel), die hier im Kattegat gefangen werden. Diese wollen wir abends in der bestens ausgestatten Küche der Seglerstube zubereiten und bringen sie dort vorsorglich in den Kühlschrank.


Mit gekühltem Weisswein, Kartoffeln, Spitzkohl, Olivenöl, diversen Gewürzen und großer kulinarischer Vorfreude stehen wir abends vor der Seglerstube – wie begossene Pudel, denn die Tür bleibt zu. Es gibt dann an Bord Spitzkohl und Kartoffeln ohne Jomfruhummer.

Tag 2 Bönnerup: Am nächsten Tag sollte der Wind gegen Mittag nachlassen. Kurz vor dem Ablegen fallen plötzlich heftige Schauerböen über uns her. Über 30 Knoten Wind schon im geschützten Hafen. Wie würde es dann erst draussen auf dem Wasser sein?


Vor Verwirrung machen wir erst einmal Mittagsschlaf und entscheiden danach: Fahren wir eben morgen, da soll es besser sein. Schauerböen beim Spaziergang an der Küste.

Aber die Tür zur Seglerstube funktioniert wieder, die Schalentiere sind noch im Kühlschrank – sie werden doch wohl noch gut sein, nach einer  Nacht in der Plastiktüte?!?  Zwei deutsche Segler versichern uns, darauf zu achten, ob am nächsten Tag Lebenszeichen von uns zu sehen sind und bieten gegebenenfalls erste Hilfe an.


Abends stehen wir - diesmal mit den Jomfruhummern - wieder vor der verschlossen Tür. Also braten wir die edlen Teile auf der Elektroplatte in unserer Kuchenbude, die seitdem wie eine Fischbude riecht. Aber das Essen ist vom Feinsten, leider sind alle Fotos davon verschwunden, wohl vom Winde verweht!

Tag 3: Plan, endlich mal ca 60 sm bis nach Saeby segeln: Realität, aufgrund widriger Winde und chaotischem Wellengang kommen wir gerade 30 sm weiter bis Hals.


Tag 4: Regenpause in Hals, hier nutzen wir die geöffnete Seglerstube und produzieren einen Auflauf, der allerdings für 3 Tage reichen wird.

Tag 5: Wir segeln im Regen los. Vielleicht schaffen wir es ja bis Albaek, kurz vor Skagen. Da wir achterliche Winde haben, segeln wir nur mit der Genua unter unserer Kuchen- nein, immer noch Fischbude. Schaffen wir es sogar bis rüber nach Skagen? Auflauf ist ja noch genug da.

Gerd checkt unterwegs die Daten: Mitten auf dem Skagerrak hätten wir keinen Wind, aber dafür unter Motor über ein Meter Welle. Keine Option! Wir haben auch jetzt schon nach 4 Stunden die Nase voll, weil das Boot entsetzlich hin und her geigt. Also Richtung Osten nach Laesö? Nein, Saeby im Westen ist kürzer!

Tag 6 und 7: Sonne in Saeby, wir machen eine kleine Fahrradtour, liegen in den Dünen und springen sogar kurz ins Wasser, den ganzen Frust der letzten Tage abspülen.



Im Hafen ein Gedenkstein für die Segler und Fischer von Saeby, die unter Einsatz ihres Lebens während des Freiheitskampfes gegen die Deutschen 1940-1945, Flüchtlinge in die Freiheit nach Schweden brachten. Würden man diese Männer heute Schleuser nennen?

Tag 8, morgens halb 7: „Wenn wir nach Albaeck wollen, sollten wir gleich los. Ab Mittag wird es wieder ungemütlich!“ Raus aus der Koje, Leinen los um 7:30 Uhr. Der Wind spielt aber von Anfang an verrückt. Er wechselt ständig, von 10 bis 23 Knoten ist alles drin (ca von Windstärke 3 bis 6), ein Segelrhythmus kann sich nicht einstellen. Wir sind froh, mittags im Hafen zu sein.


Tag 9: Herrlicher Sommertag. Wir schaffen 40 Kilometer, von der Ost- zur Nordsee – allerdings mit dem Fahrrad. In den Dünen, im Windschatten mit Blick auf die tobende Nordsee, macht Gerd mir ein Geständnis: „Leider muss ich dein Geburtstagsgeschenk ablehnen!

Norwegen ist gestrichen, es ist einfach kein Wetter dafür. Wir sind zweimal über den Skagerrak gesegelt, das muss reichen!“ Ich hatte ihm zum 70sten geschenkt, noch einmal mit nach Norwegen zu segeln. „Soll ich dir dafür mal einen Norwegerpullover stricken?“ Schweigen.

Auf der Rabjerg Mile, Dänemarks größter Wanderdüne, ist die Ost- und die Nordsee zu sehen. Wir sind fasziniert von der bizarren Landschaft. Die Düne ist bis zu 40 Meter hoch und schafft jedes Jahr 15 bis 20 Meter seitwärts.

Und für unseren Sommertörn 24 gibt auch schon einen Plan B - falls es nicht doch noch bei Plan A bleibt. Denn mein Skipper guckt schon wieder alle Windvorhersagen durch und ein leichter Hoffnungsschimmer erscheint auf seinem Gesicht.


Die Wetterlage soll sich ändern und vielleicht ist morgen ganz früh eine Chance, das Skagerrak zu überqueren ….

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von Anke von der Emaloca 22. April 2025
Den nachfolgenden Text habe ich 2018 geschrieben – und ich finde ihn nach wie vor aktuell. Das deutsche historische Museum Berlin hatte zu einer Blogparade aufgerufen: „Europa und das Meer.“ Das Thema ist meinem Skipper und mir eine Herzensangelegenheit. Wir sind im Sommer immer drei bis vier Monaten mit dem Segelboot auf der Ostsee unterwegs. Der Text erzählt, wie wir uns als Europäer mit dem Meer verbunden fühlen, was wir vom Meer lernen und was wir verlieren können, wenn Europa nicht zusammenhält und seine Werte verrät.
von Anke von der Emaloca 14. September 2024
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von Anke von der Emaloca 30. August 2024
(11-24) Vor allem ich merkte, der Speicher ist voll. So viele Eindrücke, Erlebnisse, Kontakte … ich konnte eine Auszeit nach dem Motto „Urlaub von der Reise“ gebrauchen. Prompt verordnete der Wind uns eine Pause von über einer Woche! Und danach kam das Museum Lousiana bei Kopenhagen. Wow!