Anke von der Emaloca

Von Skagen bis an die norwegische Riviera

(5-24) Nun sind wir in Norwegen, aber nicht da, wo wir eigentlich hinwollten. Wir stellen uns die Frage, ob wir in Zukunft noch segeln können und amüsieren uns dabei prächtig. Wir lassen den Waschlappen hochleben, wundern uns über plumpe Kontaktaufnahmen von Norwegern und stoßen vielerorts auf unsere unrühmliche deutsche Vergangenheit und wie die Norweger damit umgehen.

Das Handy weckt uns morgens um viertel vor Vier. Waschen, anziehen, Wasser kochen, Leinen los. Gefrühstückt wird unterwegs. Bis Skagen müssen wir motoren, dann kommt der Wind. Leider nicht immer aus der richtigen Richtung.

Bisweilen sieht es so aus, als ob er uns zum Oslofjord hintragen will. Wir wollen aber genau in die andere Richtung, soweit wie möglich nach Westen. Irgendwann stimmt die Richtung wenigstens etwas.

Doch nach 16 Stunden ist der Wind weg, die Welle bleibt und teilweise haben wir auch noch Strom gegenan. 4 Stunden müssen wir motoren, kräftig durchgeschüttelt von den Wellen.


Um 22:36 ist Sonnenuntergang. Wir sehen die Küste, sind aber noch nicht im Schärengewässer, geschweige denn in dem kleinen Hafen, den Gerd ausfindig gemacht hat. Gerd behauptet, es wird nicht richtig dunkel, ich hingegen sehe schon jetzt schwarz.

Bei Dämmerlicht tauchen wir ein in die Schärenwelt. Mit dem Fernglas ist der kleine Hafen noch auszumachen. Erleichterung! Leinen fest um 23 Uhr nach 90 Seemeilen (und ohne Selbststeueranlage!). Erst einmal die Muskeln entspannen nach der langen Schaukelei. Dann sitzen wir bis Mitternacht bei einem Glas Wein im Cockpit, müde aber sehr zufrieden. Es dämmert immer noch.

Amüsiert scheitern in Kristiansand


Nach ein paar sonnigen Tagen Tingelei in den Schären der norwegischen Riviera, ist Starkwind und Gewitter angesagt. Wir fahren in den Hafen von Kristiansand. Man muss eine App herunterladen, kann dann Liegeplatz und Strom bezahlen. Mein Skipper ist richtig stolz, dass er es geschafft hat, die Waschmaschine in Gang zu setzen.

Ich will duschen. Im Waschraum ein Aushang bebildert mit 10 Punkten: ich soll eine App herunterladen, dann den QR-Code scannen, meine Codenummer eingeben …. Ich lese nicht weiter und verzichte – wer nimmt denn schon sein Handy mit zum Duschen und was ist überhaupt meine Codenummer...

Gerd kommt rasiert zum Boot – das funktionierte wundersamerweise ohne QR-Code. Er erzählt lachend von 3 Franzosen, die auch vergeblich versucht haben zu duschen. „Ich reise seit 60 Jahren rund um die Welt, aber so einen Bullshit habe ich noch nie erlebt!“ empört sich ein älterer Franzose.



Als ein Norweger helfen will und ihn fragt, ob er seine Kreditkarte dabei hat, flippt der Franzose aus: „Ich dusche nie mit meiner Kreditkarte! Das ist mir zu blöde!“ und verlässt den Waschraum. Gerd empfiehlt ihm noch ein Bad in der See.

Mein Skipper wäscht mir den Kopf an Bord 😊, ansonsten: ein Hoch auf das erfrischende Bad im Skagerrak und auf den Waschlappen.

In einem Supermarkt in der Stadt stehen wir dann, eine Kasse suchend, ratlos mit vollem Einkaufskorb. Eine junge Frau erklärt uns, dass wir die Ware selbst einscannen könnten. Gerd scannt, ich packe alles in unsere Rucksäcke – aber dann kommen Tomaten, lose in einer Tüte ohne Strichcode.



Wir wissen nicht weiter, sehen aber, dass die junge Frau eine ganz normale Kasse aufgemacht hat. Obst, Gemüse, Milch … alles wieder zurück in den Einkaufswagen und schnell zur Kasse gesaust. Der Blick, als wir dann auch noch bar bezahlen… geschenkt.

Zurück an Bord haben wir keinen Strom mehr. Eine freundliche Hafenmeisterin meint, wir hätten aber den Strom, nur nicht den Liegeplatz bezahlt. Sie gesteht zugleich, dass sie diese App erst seit einem Jahr haben und es ständig Probleme damit gibt. Später stellt sich heraus: wir haben bezahlt und dann gibt es auch wieder Strom, weil irgendwelche Häkchen aktiviert wurden.

Können wir bald nicht mehr segeln, weil wir die Apps, QR-, Strich- und sonstigen Codes nicht mehr verstehen? Wir lachen uns schlapp!


Norwegische Kontaktaufnahmen


Der erste direkte Kontakt fand am nächsten Morgen nach unserer Ankunft statt. Beim Frühstück rammte uns eine Frau mit einem kleinen Motorboot, da sie mit ihrem Handy beschäftigt war. Sie fand das lustig – wir waren irritiert.



Den zweiten direkten Kontakt hatten wir im Hafen von Kristiansand. Ein Opa mit 3 Teenagern wollte wohl zeigen, wie flott er fahren kann und rammte uns beim Anlegen. Ob das jetzt so weitergeht? Lieber würden wir doch mit Norwegern ins Gespräch kommen. (Beides Mal gab es keinen richtigen Schaden)

Unrühmliche deutsche Vergangenheit – und wie die Norweger damit umgehen


Ein friedlicher Tag an einer Schäre. Beim Abendspaziergang stoßen wir auf ein russisch-orthodoxes Kreuz. „Grab Nr. 11“, eingraviert ein russischer Name. Ein unscheinbarer Wegweiser führt zu einer „Kriegsgedenkstätte“.

Dort steht ein weiteres Kreuz „Grab Nr. 1“ mit Namen und – sehr leicht zu übersehen - eine unscheinbare Tafel: „1944 wurden in diesem Gebiet 28 russische Kriegsgefangene von der deutschen Gestapo exekutiert. Sie alle gaben ihr Leben für unsere gemeinsame Sache!“ Auf keiner Infotafel wird die Gedenkstätte erwähnt, der Weg zur Paradiesbucht war wesentlich besser markiert.



Schon in Grimstad waren wir irritiert. Hier hat Knut Hamsun gelebt. Auf einer Gedenktafel wird erwähnt, dass er 1922 für sein Buch „Segen der Erde“ den Literaturnobelpreis erhalten hat, aber dann wirkt alles sehr verklausuliert. ‚Er war nach 1945 inhaftiert, hatte aber das Privileg, wandern zu dürfen. In einem Brief an seine Familie bat er deswegen um neue Schuhe. Die Bürger von Grimstad mochten ihn nicht und er musste selbst für den Briefversand sorgen.‘ Soweit der Inhalt der Tafel.

Wikipedia wird da deutlicher: Hamsuns „Ruhm als Schriftsteller wird überschattet von seinem aktiven Eintreten für den Nationalsozialismus.“ Er wurde verurteilt „wegen Kollaboration mit den deutschen Besatzern!“

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von Anke von der Emaloca 22. April 2025
Den nachfolgenden Text habe ich 2018 geschrieben – und ich finde ihn nach wie vor aktuell. Das deutsche historische Museum Berlin hatte zu einer Blogparade aufgerufen: „Europa und das Meer.“ Das Thema ist meinem Skipper und mir eine Herzensangelegenheit. Wir sind im Sommer immer drei bis vier Monaten mit dem Segelboot auf der Ostsee unterwegs. Der Text erzählt, wie wir uns als Europäer mit dem Meer verbunden fühlen, was wir vom Meer lernen und was wir verlieren können, wenn Europa nicht zusammenhält und seine Werte verrät.
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von Anke von der Emaloca 30. August 2024
(11-24) Vor allem ich merkte, der Speicher ist voll. So viele Eindrücke, Erlebnisse, Kontakte … ich konnte eine Auszeit nach dem Motto „Urlaub von der Reise“ gebrauchen. Prompt verordnete der Wind uns eine Pause von über einer Woche! Und danach kam das Museum Lousiana bei Kopenhagen. Wow!