Anke von der Emaloca

Jazz in Haugesund – Segeln nach Lindesnes Fyr

Wehmütig haben wir uns vom Hardangerfjord verabschiedet. Der innere Wendepunkt unseres Törns ist erreicht. Jetzt geht es langsam – und etappenweise auch sehr schnell – Richtung Süden. Gestern haben wir Kristiansand angelaufen und wettern heftige Winde und starke Regenschauer ab. Dazwischen haben wir aber einige Stationen eingelegt, die wir auf dem Hintörn nach Bergen links liegen gelassen haben.


Haugesund im Jazzfieber


Haugesund, eine bedeutende Handelsstadt, liegt ungefähr zwischen Bergen und Stavanger. Sie wird durch den Sund geteilt. In Haugesund steht auch das Nationalsdenkmal Haraldshaugen, Symbol für die Vereinigung Norwegens zu einem Königreich durch den Wikinger Harald Schönhaar im Jahr 872.


Auch Kreuzfahrtschiffe legen in Haugesund an. Während unseres Stadtbummels wird die Stadt ganz plötzlich von Engländern überschwemmt, die dann aber nach ein paar Stunden Freigang wieder an Bord eilen.


Nicht für Geld und gute Worte hätten wir Interesse an so einer Art zu reisen. Wir bewundern da eher Erik Aanderaa, dessen Segelboot in Haugesund liegt. Er unternimmt Einhand verrückte Segeltörns, am liebsten offensichtlich im Winter bei Starkwind. Da er darüber sehr gute Videos in seinem Youtube-Kanal „No bullshit – just sailing“ veröffentlicht, brauchen wir uns solche Törns nicht antun und können sie zu Hause im Warmen miterleben.



Die Geschmäcker sind unterschiedlich


Am Stadtkai liegend bekommen wir hautnah mit, wie sich die Stadt auf das jährlich stattfindende viertägige Silla-Jazzen-Festival vorbereitet. Lieber gleich weiter oder bleiben und mal reinhören? Wir entscheiden uns, zu bleiben und lassen uns von einer dänischen Band mit Jazzrock und exzellenten Gesangssätzen begeistern. Die Norweger, die um uns herumstehen, üben sich eher in Zurückhaltung.


Als dann aber ein anscheinend bekanntes norwegisches Gitarrenduo aufspielt, kommen sie aus der Reservere. Mit den poppigen Stücken können wir nun wiederum nicht viel anfangen. Für uns hört sich ein Stück wie das andere an, routiniert und gelangweilt abgespult.



Zurück auf unserer Emaloca aber ist die ganze Nacht von der Musik kein Entkommen. Am nächsten Morgen sind wir entsprechend gerädert, legen ab und erholen uns in einer ruhigen Bucht nur ein paar Seemeilen entfernt.


Mitten im Zentrum von Skudeneshavn


Wir fühlen uns fast wie in Holland, als wir das 3000 Einwohner-Städtchen Skudeneshavn auf der Insel Karmoy anlaufen, denn der kleine Hafen liegt mitten im Ort. Skudeneshavn hatte seine Hochzeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Heringsfischerei und eine Segelschiffflotte brachten Impulse aus aller Welt mit. Die weißen Holzhäuser sind teilweise dem Empirestil nachempfunden. Ein Haus wurde per Schiff sogar aus Riga, Lettland, importiert. Der Ort beherbergt viele kleine urige Cafes.


Neun Zentimeter bis zum Weltuntergang


Von Skudeneshavn machen wir einen Tagesausflug nach Avaldsnes zum Nordvegen Historiesenter. Hier soll im Jahr 998 der mächtigste nordische Gott Odin erschienen sein. Avaldsnes ist der älteste Königssitz Norwegens und es wird vermutet, dass hier auch das Grab von Harald Schönhaar, dem Begründer des Königreiches liegt. Das Wirken von Harald Blutaxt ergibt sich aus seinem Namen.



Ein späterer König errichtete 1250 inmitten einer alten Kultstätte mit Bautasteinen die Olavskirche (leider gesperrt wegen Renovierungsarbeiten). Von einem Bautastein, Marias Nähnadel genannt, geht folgende Sage: Wenn dieser Stein die Kirchenwand berührt, geht die Welt unter. Demnach bleiben uns noch 9,2 cm.


Wind und Wetter: Alles ist relativ


Als wir in Skudeneshavn liegen, jagt ein Tief das nächste. Das nennt man westzyklone Wetterlage erklärt mein Skipper. Ich beschwere mich per Whatsapp bei unserem Segelfreund Ralf, der zur Zeit mit seinem Boot auf den Azoren liegt. Denn bei ihm hatte ich einen starken Ausläufer des gleichnamigen Hochs bestellt, um die kritischen Seepassagen (von Jaerensreff bis Lindenes Fyr) gut passieren zu können. Diese Strecke liegt mir ein wenig im Magen.



Ralf will von den Azoren weiter nach Irland segeln und schreibt: „Die Dinger, die bei euch aufschlagen, sind ja in der Regel vorher auch hier im Norden der Azoren vorbeigezogen.“ Wir würden hier gerade mal die Reste abbekommen. Für ihn sähe die Sache anders aus: „Wir haben uns diesen Wetterbedingungen auf dem Weg nach Irland zu stellen… Da gibt es im Zweifel beim Wetterrouting oft nur die Wahl von ‚beschissen‘ über ’super beschissen‘ bis ‚echt gefährlich‘.“ Aber er hege keine Zweifel, dass sie und wir es schaffen. Dann liegt vor uns in Skudeneshavn auch noch ein Isländer, der auf dem Weg nach Hause ist – Schluss mit meinen hasenherzigen Gedanken!


Nudeln bringen Meilen


Eigentlich wollten wir am nächsten Morgen nur 20 sm nach Tau segeln, um auf den Preikestolen, zu wandern, eine 600 Meter hohe berühmte Felskanzel im Lysefjord. Das heisst mein Skipper wollte. Ich hatte nicht so rechte Lust auf den ausgetretenen Touristenpfaden mit zu laufen. Passend dazu brachte Spiegel online auch noch einen Bericht, nach dem allein im Juli über
100 000 Menschen dort waren.


Die Windvorhersage spielt mir in die Hände. Nordwind ist angesagt und wir könnten ein gutes Stück weiter nach Süden fahren. Wir peilen das rund 50 sm entfernte Egernsund an. So ein schönes Gefühl, wieder einmal ein längeres Stück zu segeln, wenn auch nur unter Genua. Zudem ist der Strom auch noch mit uns, wir fahren immer 5,5 bis 6,5 Knoten. Deswegen entscheiden wir auf der Höhe von Egernsund noch 10 sm weiter zu segeln.


Emaloca läuft und läuft. Irgendwann strahlt mich mein Skipper an: „Komm wir fahren durch nach Kirkehamn. Ich koch dir jetzt gleich Nudeln mit Pesto, Nudeln machen glücklich!“ So ein Angebot schlage ich natürlich nicht aus. Um 21:25 Uhr, pünktlich zum Sonnenuntergang, erreichen wir die Einfahrt nach Kirkehamn und haben 75 sm im Kielwasser. Hier in diesem Ort begann auf der Hinfahrt unser Fjord Norwegen-Törn. „It’s waterful!“, wie eine Broschüre treffend betitelt ist.


Großes Kino



Am nächsten Morgen scheint die Sonne, die Kirke strahlt weiß, die klare Luft lässt die begrünten Berge leuchten, Stille liegt über dem Ort. Durch die schmale Zufahrt von Kirkehamn fahren wir hinaus Richtung Lindenes Fyr. Auf dem Meer muss es geregnet haben, ein Regenbogen spannt sich über das Küstengebirge. Wir wollen wiederkommen!!!


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