Nachtfahrt von Grimstad nach Skagen
Hier berichten wir von unserer Nachtfahrt über das Skagerrak, vom darauffolgenden „Kultur“schock in Skagen und von einer wahren Augenweide. Zwei Anläufe brauchten wir, um von der norwegischen Südküste zur dänischen Nordspitze Skagen zu gelangen.

Anlauf 1 von Kristiansand aus
Nachdem der Wind das Skagerrak ein paar Tage kräftig aufgemischt hatte, glaubten wir ein Wetterfenster nutzen zu können. Morgens um 6 Uhr sollte es losgehen. Um 5 Uhr überprüften wir, noch in die Koje gekuschelt, den Seewetterbericht. Wind und Welle hatten noch eine Schippe draufgelegt: Wellen bis 2 Meter, Windstärke 6 bis 7 bei Raumschot und Regenschauern. Ich überlegte nicht lange, murmelte nur „ach nöö“, drehte mich wieder auf die Seite und wir schliefen bis 8 Uhr.
Die nächsten Tage war an eine Überfahrt wieder nicht zu denken. In kleinen Schlägen hangelten wir uns in Lauerstellung an der Küste entlang. Doch über die schwedische Westküste zurück? Der Weg wäre viel weiter und auch hierfür war der Wind nicht so optimal. Aber ewig zu warten wäre auch keine Lösung. Fragen über Fragen….
Anlauf 2 von Grimstad aus
Ein paar Tage später hatten wir wieder ein Windfenster ausgemacht, um die gut 80 sm nach Skagen zu bewältigen. Das bedeutete aber eine Nachtfahrt in Kauf zu nehmen. Dann wäre genug Wind zum Segeln: achterliche Winde, Windstärke 5 bis 6, in Böen auch mal 7; keine allzu hohen Wellen, im Schnitt 1,5 Meter. An einer Schäre verbrachten wir unsere letzten Stunden in Norwegen, schmierten Brote, kochten Wasser und versuchten etwas vorzuschlafen.


Ein kleines Segelboot surft durch die Nacht
Abends um halb neun hieß es dann Leinen los. Kaum hatten wir den Schärengürtel verlassen, begann ein wilder Tanz, der die ganze Nacht anhalten sollte. Schon bald hatten wir die Genua zweifach gerefft. Am Anfang kam der Wind nicht raumschots, sondern direkt von der Seite und die entsprechenden Wellen brachten unsere Emaloca ab und an in ganz beachtliche Schräglage.
Wir waren natürlich angepickt! Denn es ist mehr als naiv zu glauben, wenn man mit Schwimmweste über Bord geht, dass man vom anderen im Dunkeln bei starkem Wellengang gefunden wird, dann noch das Rettungsmanöver gelingt und es ein Leichtes ist, über die Badeleiter wieder an Bord zu kommen.
Ich war zuerst am Ruder und kämpfte damit, halbwegs den Kurs zu halten. Dafür wurde ich mit einer Wellendusche belohnt, voll ins Gesicht! Salzwasser lief hinter meine Brille, mein Sitzkissen nass…. Gemein!

Erhabene Beleuchtung
Die Nacht brach langsam herein aber Sterne und Milchstrasse leuchteten. Was war denn da zu sehen? Ein Boot mit hell beleuchteten geblähten Segeln? Nein, ein wunderschöner, kupfer-goldfarbener Halbmond stieg auch noch aus dem Meer.
Nach 3 Stunden übernahm mein Skipper das Ruder. Während mich die Zeit konzentriertes Steuern ziemlich angestrengt hatten, hielt Gerd mühelos 5 Stunden durch, obwohl Wind und Welle zwischenzeitlich noch einmal zugelegt hatten. Ich döste abrufbereit und in voller Segelmontur im Salon vor mich hin.
Verkehrsregeln
Über genügend Schiffsverkehr brauchten wir uns auch nicht zu beklagen. Ein Segelboot unter Segeln hat Vorfahrt – so die Theorie. Aber wer will das praktisch schon bis zum Ende gegen so riesige Pötte ausreizen. Fischerboote die fischen haben Vorfahrt! Aber gerade ihr Kurs ist nicht einfach einzuschätzen. Dank Fishfinder folgen sie nämlich den Schwärmen und die Fische denken nicht daran Kurs zu halten, sondern haben ihre eigene, uns nicht verständliche Logik.
Wo Ostsee und Nordsee sich küssen
Morgens gegen 8 Uhr ließ der Wind soweit nach, dass wir kurze Zeit motoren mussten. Aber dann hatten sich auch die Wellen beruhigt eine stete Brise kam auf und – welch magischer Moment – wir konnten das Groß setzen. So kann Segeln auch sein, schönes Dahingleiten ohne ständig durchgerüttelt zu werden.
Das hatten wir schon fast vergessen. In der Ferne war Grenen auszumachen, die Südspitze von Skagen, an der Nord- und Ostsee zusammenkommen. Auch wir spürten ihre Begegnung, wir segelten ein kurzes Stück über eine Buckelpiste.
Kulturschock in Skagen


Mittags erreichten wir Skagen. In dem kleineren Hafen, etwas abseits der Partymeile, wurden wir abgewiesen. Alles sei voll. 60 Motorboote kämen wegen einer Angeltrophy. Schon beim Anlaufen von Skagen waren uns mehrere dieser Kampfanglerboote mit Topspeed entgegengekommen. Nun gut, also im großen Yachthafen anlegen. Es ist zwar Samstag aber Nachsaison, da wird es ja wohl nicht ganz so schlimm sein.

Weit gefehlt. Der Hafen war (für unsere Verhältnisse) rappelvoll. Wir fanden einen Platz vor Heckanker am Rande und erfuhren beim Anlegen gleich als Erstes, dass heute DAS Partywochenende in Skagen sein sollte. Das war schon Mittags weder zu überhören noch zu übersehen. Riesige Motoryachten und ziemlich große Segelyachten kämpften mit sich überbietender Wattpower um die Musikhoheit im Hafen. Es wurde getanzt, getrunken und gejohlt (freundlich ausgedrückt). Die Hafenmeile präsentierte sich uns als ein schriller Markt der Eitelkeiten, Begierden und anderer menschlicher Abgründe.
Wir sind hier die Exoten
Im Hafen lag nur noch ein Segelboot von unserer Größe, deren Crew genauso deplaziert wirkte wie wir. Wir lagen neben einer neuen Segelyacht, so um die 300.000 Euro. Der Besitzer, graue Haare, weißes Hemd, hatte Ähnlichkeit mit dem Reeder Onassis. „Hast du gesehen mit welcher Verachtung er uns beim Anlegen zugeguckt hat?“ „Nee. Aber er hat auf meine mehrfachen Versuche, ihn freundlich zu grüßen gar nicht reagiert!“

Der fehlende Nachschlaf rettete uns ab halb neun in einen 11 stündigen Tiefschlaf. Nichts wie weg hieß die Devise am nächsten Morgen. Der Onassis neben uns hatte am Morgen danach keine verächtlichen Blicke mehr für uns übrig. Im Cockpit focht er einen einsamen Kampf gegen einen unsichtbaren dicken Kater.
Augenweide
Bald nachdem wir den Hafen verlassen hatten, gab es noch einmal Kino vom Feinsten: Startphase der Europameisterschaften der Zwölfer. Alte Holzrennyachten, von denen die ersten schon Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut wurden. Welch majestätischer Anblick.
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