Uusaukapunki muss warten!
(4-2023) Der Hafen von Utö ist noch leer. In der Saison, die hier nur vier oder sechs Wochen dauert, wird er rappelvoll sein. Wir liegen am Steg „Großes Paradies“. Der Übernachtungspreis ist auch paradiesisch: 35 Euro, mit Strom wären es noch 5 Euro mehr. Wir verzichten - unser Solarpanel reicht für unseren Minikühlschrank.

Die Beine wollen bewegt werden, eine kleine Wanderung durch den nahegelegenen Wald ist angesagt. Friedliche Stille bis wir ein Stück weit hinter uns jemanden hören, der schwedisch mit uns sprechen will. Wir bieten ihm englisch oder deutsch an.

Der Mann ohne Narben
Inzwischen hat der Wanderer zu uns aufgeschlossen: „Dann sprechen wir ein wenig deutsch!“ Er überholt uns, redet dabei ununterbrochen weiter: „Ich habe nämlich ein Semester in Heidelberg studiert. Ich war da in einer Verbindung, aber wir haben nur gesoffen. Es war keine schlagende Verbindung! Wir hatten nur viel Spaß!“ Nun einige Schritte vor uns, dreht er sich im Gehen um: „Da sehen Sie, keine Narben im Gesicht. Sehen Sie doch, keine Narben!“

Er eilt weiter voraus. Wir können kaum Schritt halten. Uns fällt nur ein: „Und dann war es zu viel mit der Sauferei und Sie sind wieder nach Schweden?“ „Nein, dann habe ich in Peking studiert und danach dort bei Siemens gearbeitet. Deshalb ist es gut, ab und zu immer mal deutsch zu sprechen!“ Ohne langsamer zu werden schiebt er gleich hinterher: „Wenn Sie zum Hafen müssen, gehen Sie geradeaus, ich biege hier ab. Einen schönen Sommer!“ „Ja, Ihnen auch!“ Was man so innerhalb von 100 Metern alles von einem Menschen erfahren kann!
Ein merkwürdiger Schrei unterbricht die wieder eingekehrte Stille. Nach einiger Zeit finden wir die Ursache mit unserem Fernglas hoch oben im Baumwipfel: ein ziemlich großer Schwarzspecht. Während wir, den Kopf im Nacken, den Schwarzspecht bewundern, schwankt die Schäre gewaltig. Zeit an Bord zu gehen, um wieder ‚festen Boden‘ unter den Füßen zu bekommen.
Ankersalat
Unser erster Schärenanker der Saison klappt perfekt. Für einige Stunden haben wir die kleine Bucht für uns alleine.

Am Abend kommen noch 4 weitere Boote dazu, aber es ist genug Platz für alle, ohne sich zu nahe zu kommen – eigentlich.

Auf einem kleinen Segelboot kommt ein junges, offensichtlich frisch verliebtes Paar dazu. Der Skipper hat seinen Kopf nicht nur beim Anlegemanöver. Denn er schmeißt seinen Heckanker viel zu früh über Bord und damit direkt über unsere Ankerleine.

Nachdem die Turteltäubchen angelegt haben, ruft mein Skipper ihnen freundlich zu, dass ihre Ankerleine nun über unserer hängt. Wir würden morgen früh gerne so zwischen 9 und 10 Uhr losfahren, ob das für sie okay wäre. „Natürlich!“ antworten sie prompt und beschäftigen sich gleich wieder miteinander.

Am nächsten Morgen um 10:00 Uhr liegt deren Boot immer noch im Tiefschlaf. Es tut uns ja irgendwie leid, aber wie lange müssten wir warten.... Gerd klettert über die Schäre zu ihrem Boot, nimmt sein Taschenmesser und klopft mit Metall an die Reling. Beim 2. Mal kommt der Jungverliebte ziemlich verschlafen aus der Koje….
Aber er lockert seine Ankerleine, damit wir die Chance haben, unseren Anker hochzuholen. Auch seine Geliebte muss aus den Federn kriechen, um an Land das Boot abzuhalten, da ja ihr Anker nicht mehr halten kann.
Nach kurzem Geruckel und einigem Kraftaufwand schafft mein Skipper es, unseren Anker freizukriegen.
Uusikaupunki muss warten
Unsere Freunde aus der ehemals herausragenden Seefahrernation Holland melden sich per Whatsapp. Erst ein paar Tage zuvor haben wir uns in Nynäshamn gemeinsam über die Seekarten der finnischen Westküste gebeugt, die Vorfreude auf Neuland mit einem Glas Sekt gesteigert und die Überfahrt zu den Alandinseln geplant.

Nun teilen sie uns nun folgendes mit: Die Hauptwindrichtung im Juni wäre Südwest. Sollten wir nicht vielleicht erst die schwedische Küste „Höga Kusten“ entlang segeln und dann über Finnland zurück?! Mein Skipper kommt ins Grübeln.

Wir verabreden eine erneute Lagebesprechung im Hafen Gräddö. Neben der passenderen Windrichtung soll es im Juni an der schwedischen Küste um ein paar Grad wärmer sein und in Finnland der Juli die wärmsten Tage haben. Noch bevor ein Glas Wein geleert ist, fällt die Entscheidung: Uusikaupunki muss warten! (Uusikaupunki ist der verheißungsvolle Name der finnischen Stadt, die wir von den Alandinseln kommend als erste angesteuert hätten.)
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