Zurück in den Sommer – Tschüss Fjord Norwegen
(8-24) Wir sind uns einig: wir sind nicht mehr in einem Alter, wo wir uns noch all zuviel beweisen müssen. Wir sind so frei, ändern den Plan und kehren um und schon kommt der Sommer.
Es gab ein hervorragendes Abschiedsessen von Fjord Norwegen auf der Insel Hidra im Restaurant Isbua in Kirkehamn.

Lista Fyr und Vorurteile
Unsere Beine sehnten sich nach Fahrradfahren. Um Lista Fyr hat eine Moräne hier flaches Land mit vielen großen Steinen hinterlassen.
Ein norwegisches, ziemlich mitgenommenes Segelboot lag im mit Anglerbooten belegtem Hafen an dem kleinen Gästesteg. Wir waren sicher: das Boot wird nicht mehr gesegelt, da lebt bestimmt ein schräger Typ drauf.
Doch dann steigen drei gar nicht so heruntergekommene Jungs aus dem Boot, kommen zu uns und fragen, wann wir denn gekommen seien. „Vor einer Stunde, ihr habt aber ganz schön lange geschlafen!“

„Wir sind gestern Abend aus Schottland gekommen, waren 3 Tage unterwegs, da brauchten wir Schlaf! Wir sind seit 10 Monaten unterwegs, erst im Mittelmeer und sind dann auch noch durch den neukaledonischen Kanal in Schottland.“ Was für eine tolle Auszeit nach Beendigung der Schule. Wir zollten ihnen unseren ehrlichen Respekt und konnten mal wieder über Vorurteile nachdenken.
Amerikanische Verbindungen und schlechtes Brot
Auf der Fahrradtour kamen wir an einer Fortanlage vorbei, von den Nazis im Rahmen des sogenannten atlantischen Schutzwalls erbaut und als Kulturdenkmal ausgewiesen. Wäre Mahnmal nicht das treffendere Wort? Im Café kleine amerikanische Flaggen. Ich dachte an ein Veteranentreffen, zumal so viele Schilder die verschiedenen Waffengattungen beschrieben.
Falsch gedacht. Als wir in den Ort Vanse kamen, war auch der voll beflaggt. Bevor Norwegen durch die Ölvorkommen zu Wohlstand gelangt ist, sind aus dieser Gegend viele Menschen in die USA ausgewandert, manche sind wieder zurück nach Norwegen gezogen und die Wurzeln halten bis heute. Die Bäckerei hieß auch nicht ‚Baggeri‘, sondern ‚Bakery‘. Das Café war echt amerikanisch eingerichtet und es gab (leider) amerikanisches Brot: Toastbrot mit etwas Kleie durchsetzt.

Ein ruhiger Ankerplatz – aber mit Herzinfarktpotenzial
Mein Skipper hatte einen ruhigen, geschützten Ankerplatz herausgesucht. Das einzige Problem: die enge Zufahrt. Ein Stein (90 cm unter Wasser) auf der einen, ein anderer Stein auf der anderen Seite, dazwischen nicht viel Platz. Bei der Einfahrt stand ich vorn am Bug, der Lichteinfall war aber so, dass ich nicht viel sehen konnte.
Aber am nächsten Morgen auf dem Rückweg hatte ich alles im Blick: vor allen Dingen den Stein auf der Steuerbordseite, nur wenige Zentimeter von unserem Rumpf entfernt. Ich turne fassungslos auf dem Vordeck herum, während mein Skipper haarscharf an dem Felsen vorbeizieht.
Es dauerte bestimmt eine Viertelstunde, bis mein Adrenalinspiegel sich wieder normalisiert hatte.
Emaloca gekapert von zwei Norwegern in lauer Sommernacht
Nach wochenlangem Regen, Kälte oder Sturm sind nicht nur wir, sondern vor allem die Norweger sind aus dem Häuschen. Jeder, der ein Motorboot hat, scheint unterwegs zu sein, Schärenplätze abzugrasen oder einfach nur so hin- und her- zu fahren.

Nach dem Abendessen – ohne Kuchenbude - wollte sich Gerd nur mal kurz die Beine vertreten. Er kam aber erst kurz vor 10 Uhr wieder. „Sorry, ich war auf dem Aussichtspunkt und bin dort von einem Norweger aufgehalten worden. Der hat fast eine Stunde auf mich eingeredet.“
„Ich kann das alles gar nicht wiedergeben, so viel hat er erzählt. Wie fasziniert die Norweger von den Deutschen waren, als sie im Krieg hier in Windeseile Befestigungsanlagen gebaut haben, während die Norweger noch mit Pferdekutschen über die Berge gezogen sind.
Nach 1989 hat er mit anderen LKWs nach Estland gefahren, um das Land mit Sachspenden in seiner Unabhängigkeit zu unterstützen!“ Was für eine Mischung an Themen!
Kurze Zeit später wurde unser Boot dann noch von einem norwegischen Paar aus Bergen gekapert. Zunächst kamen wir ganz unverbindlich ins Gespräch. Irgendwann saßen sie dann bei uns im Cockpit und legten los - und zwar meistens gleichzeitig mit einer uns schwindlig machenden Vielfalt an Themen.
Wir bekamen Tipps über Ankerplätze, erfuhren, dass sie eigentlich eine Weltumsegelung geplant hätten, dann aber Corona dazwischengekommen sei. Der Mann hat ein Verfahren entwickelt, mit dem man Lachs an Land in Containern züchten und das Wasser wiederaufbereiten könne.
Sie würden viele Regatten fahren, einmal eine bei minus 15 Grad bei der man kochendes Wasser über die gefrorenen Leinen gießen musste. Die Tage hätten sie Wal gegessen, erst als Carpaccio, am nächsten Tag als Steak gebraten.
Unsere irritierten Blicke bemerkend fragten sie: „Seid ihr etwa Vegetarier?“ Nachts über Walfang zu diskutieren war nun nicht unser Ansinnen und ich erklärte, dass wir selbstgemachtes Gulasch an Bord hätten. Gulasch und einkochen auf Englisch zu erklären ist uns offensichtlich nicht so gut gelungen, ihre Blicke zeigten Unverständnis.

Ein hervorgeholtes Weckglas wurde von allen Seiten skeptisch begutachtet. „Das hält?“ Dann bei der Frau eine kurze Erleuchtung: „Ich glaube, ich habe so etwas schon mal auf youtube gesehen - Konservierung!“ Danach zählte sie sämtliche Gefrierschränke, die sie besaß, auf.
Kurz vor Mitternacht standen beide unvermittelt auf und gingen zu ihrem Boot auf dem 2 Freunde von ihnen warteten.
Mandalselva, der Lachsfluss
Mit dem Fahrrad ging es von Mandal aus 20 Kilometer den Fluss Mandalselva entlang. Flussaufwärts laichen hier Lachse und Seeforellen. An den Stromschnellen sahen wir sogar einige Fische hochspringen.
Ein Jogger blieb stehen und erzählte, dass Anfang Juni hier die meisten Lachse zu beobachten seien. Aber dieses Frühjahr wäre ein Drittel weniger Lachs gefangen worden. Die Behörden, aufgeschreckt, hätten in vielen Flüssen die Fangquoten drastisch reduziert. In seiner Kindheit habe es viel mehr Lachse hier gegeben.

„Wir gehen nicht gut mit unserem Ozean um. Wir behandeln ihn wie eine Toilette. Außerdem wird das Wasser immer wärmer und die Lachse können nicht mehr spüren, wann ihre Laichzeit ist,“ meinte er noch traurig, bevor er weiterjoggte. Da hat er wohl leider recht.
Schärentingelei

Seit Mandal tingeln wir nun durch die Schären, meiden wo es geht die Häfen, genießen den Sommer und frisch gefangenen Fisch - mit ukrainischer Hilfe. Doch das ist eine andere Geschichte.
Share
