Zwischenbericht Finnland- Vaasa bis Rauma
(9-2023) Die Überfahrt von Skagshamn nach Finnland - ein entspanntes 6 Knoten schnelles ‚easy sailing‘. Eigentlich hatten wir geplant direkt die 75 Seemeilen nach Vaasa zu segeln, aber pünktlich um 17:00 Uhr ließ der Wind nach und wir landeten nach 51 Seemeilen in einer kleinen Oase, der Aussenschäre Fäliskäret.

Erste Begegnung mit Finnen
An einem Vereinssteg der ehemaligen Lotseninsel begrüßt uns ein Finne mit „Herzlich willkommen in Finnland!“ Unser kleiner Erkundungsgang endet vorerst vor einem alten Motorboot. Wir werden von einer Finnin in Beschlag genommen, aus der die Emotionen nur so heraussprudeln.
„Die Russen“
Ihre Familie lebt und arbeitet schon seit mehreren Generationen in der Region und man merkt an ihren Erzählungen, wie sehr sie die Familiengeschichte geprägt hat. Aufgeregt erzählt sie, dass Finnland 700 Jahre zu Schweden und 100 Jahre zu Russland gehörte.

Die Russen hätten ihren Großvater (vielleicht war es auch der Urgroßvater) zwingen wollen, das hausgroße Seezeichen auf der Schäre schwarz zu streichen, damit die Boote in die Irre geleitet würden. „Aber mein Großvater hat nein gesagt!“ betont sie stolz mit erhobenem Haupt. „Als die Russen die Ukraine überfallen haben, war ich gerade im Krankenhaus. Ich hatte panische Angst, dass die Russen auch wieder hierherkommen. Aber die Ärzte haben mich beruhigt!“
Dann trägt sie uns auf, spazieren zu gehen und viele Fotos zu machen, denn es wäre doch so schön hier.
Vaasa

Am nächsten Tag genießen wir wieder einen herrlichen Segeltag nach Vaasa mit unserem schönen Bunten. Ein ‚Muss‘ ist Vaasa nicht, aber zum Abwettern von dem starken Südwind, durchsetzt mit Regenschauern okay. Die Ausstellungen haben uns gefallen.



In den Regenpausen machten wir Radtouren in die Umgebung.


Mehr Steine als Menschen
Finnland hat gerade einmal 5,5 Millionen Einwohner, ist aber fast so groß wie Deutschland. Die Bevölkerung konzentriert sich auf Südfinnland und die größeren Städte wie Helsinki oder Turku. An der Westküste ist die Region nur dünnbesiedelt. Es wundert uns nicht, dass es junge Menschen zu den Zentren zieht.



Abstecher nach Kiruna, Schweden
Wohin es uns auch verschlägt, die Häfen sind leer. Eine Hauptsaison scheint es nicht zu geben. In Kaskinen, der mit rund 1300 Einwohnern kleinsten Stadt Finnlands, verbringen wir einen kurzweiligen Abend mit Axel, einem Deutschen der seit 3 Jahren in Kiruna, nördlich des Polarkreises, wohnt.

Axel zieht uns den Zahn vom umweltbewussten Schweden als er uns von der Macht und den Machenschaften der dortigen staatlichen Eisenerzgesellschaft erzählt. Die Schweden hätten Lappland kolonialisiert. Die Samen wären d
ie Einzigen, die sich dort für Umweltschutz einsetzten, aber die wären marginalisiert: „Ach ihr mit euren Rentieren!“.
Junge Segelenthusiasten

In Kilen kommt abends noch ein Folkeboot bis an die Kaimauer gesegelt. Ein junges Paar aus Kiel ist tatsächlich mit ihrem kleinen Boot bis hierin vorgestoßen. Wir sind von der Leistung stark beeindruckt, deswegen kredenzen wir
ihnen ein Glas Rosé als Anlegerschluck. Sie wollen über Höga Kusten zurück. Da sie dafür erst noch Karten kaufen wollten (sie sind nämlich ohne elektronische Seekarten unterwegs. Respekt!), leihen wir ihnen kurzer Hand unsere.

Flache Westküste – an Land und unter Wasser
An der finnischen Westküste, im Kvarkengebiet, hat die Landhebung ganz andere Formationen hervorgebracht als an der Höga Kusten. Dort ragen Bergspitzen aus tiefem Wasser, auf der finnischen Seite ist die Landhebung flächig erfolgt.

Auch noch Meilen vor der Küste liegen Steine. Es gibt Inseln, die man nicht erreichen kann, weil das Wasser zu flach ist. Markierte Fahrwasser führen im Zickzack durch dieses Labyrinth. Konzentriertes Steuern ist angesagt.

Der Weg Richtung Süden zieht sich
Auch durch die Windverhältnisse gestaltet sich der Weg nach Süden zunehmend langsamer. Entweder der Wind kommt von vorn oder er ist schwach. Oft gibt es erst ab Mittag segelbaren Wind. Wir brauchen 10 Stunden, um gerade einmal 30 Seemeilen (60 km) weiterzukommen.
Oft fahren wir los und wissen vorher nie, wie weit wir kommen und wo wir die nächste Nacht verbringen. Längst nicht alle Häfen oder Stege sind für uns erreichbar, obwohl wie nur 1,35 Meter Tiefgang haben.

Das alles kann man als Stress empfinden – oder versuchen, es als meditative Übung anzunehmen.
Ruhe und Nerven bewahren
Wir verlassen z.B. mittags den Hafen von Kilen (Kiili) und haben den Hafen Krookka im Auge, der ca. 20 Seemeilen weiter liegt. Auf Höhe des Hafens machen wir noch gute Fahrt – also segeln wir weiter. Es kommen noch 2 kleine Anleger, die wir laut Karte nutzen könnten.
Der Blick durch das Fernglas zeigt, dass der erste kleine Anleger besetzt ist mit Motorbooten. Es gibt keine Peilung zum Steg, das Wasser ist flach und mit Steinen vermint. Der Skipper will es probieren, ich weigere mich. Wir segeln und motoren weiter. Die Stimmung an Bord ist … dünnhäutig….

Gestrandet in Refsö (Reposaari)
Dann erkennen wir, dummerweise erst jetzt, dass der 2. Anleger dem Seegang ausgesetzt ist. Uns bleibt nur Reposaari, noch einmal 2 Stunden weiter. Ich träume davon, zu Hause zu sein…
Die Hafeneinfahrt, der Hafen und der alte Steg mit handgemalten, angetackerten Nummern … der ganze marode Charme ist so skurril, dass wir schon wieder lachen müssen. Strom und Wasser gibt es nicht.

Eingekesselt
Nach 9 Stunden Tiefschlaf weckt uns die Sonne, doch schon bald sind wir von tiefem Nebel eingehüllt. Als der sich lichtet, wird der Steg geflutet von martialisch ausgerüsteten Wettkampfanglern. Sie stehen rechts und links von Emaloca. Jetzt wissen wir, wofür die Nummern sind.

Der Filmemacher Aki Kaurismäki
Auch hier denken wir wieder: Wer einmal einen Film von Aki Kaurismäki gesehen hat, dem können wir versichern, dass die gezeigten Charaktere mitten aus dem finnischen Alltag entsprungen sind.

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